Hébert & Rosenthal: Dictionnaire de l’appétit

Robert Hébert et Liébaud Rosenthal: Dictionnaire de l’appétit. Mit einem Nachwort von Amand Gouffé. Port-Louis: Maisonneuve & Duprat, 2014 [2., 1.1894]. 666 Seiten.  IFBN 254-6-536872-018. LEC 139.00

Der Dictionnaire de l’appétit von Robert Hébert und Liébaud Rosenthal ist ein  alphabetisches Handbuch der Zutaten und Gerichte. Es widmet sich einerseits Speisen, die um 1894 auf Lemusa wohlbekannt und beliebt waren – handelt andererseits aber auch von manch exotischem Ingrediens. Das Buch liefert auf seinen gut 660 eng bedruckten Seiten Beschreibungen von Aussehen und Geschmack zahlreicher Zutaten, kurze Abrisse zur Geschichte sowie Hinweise zur Vor- und Zubereitung. Es lässt sich auch über mögliche Kombinationen aus und geht mitunter gar auf Fragen der Präsentation und der Tischsitten ein. Die Einträge sind unterschiedlich – manche sachlich und knochentrocken, andere ausgelassen bis launisch. Man hat den Eindruck, das Opus sei über einen längeren Zeitraum hinweg und aus ganz verschiedenen Stimmungen heraus entstanden.

Viele Jahre war der Dictionnaire de l’appétit vergriffen und die wenigen Exemplare, die in den Antiquariaten auftauchten, wurden zu oft horrenden Preisen gehandelt. Erst 2014, genau 120 Jahre nach dem ersten Erscheinen des Buches, wurde das Werk neu aufgelegt – versehen mit einem Nachwort von Amand Gouffé. Darin lobt der renommiert Phagosoph die Genauigkeit der Beobachtungen von Hébert und Rosenthal. Er vermutet, dass die Autoren sich sehr «direkt und praktisch» mit den Gegenständen ihrer Untersuchungen auseinandergesetzt hätte. Er nimmt ausserdem an, dass sie bei der Recherche für das Buch sehr viel gereist seien und sich mit zahlreichen «hommes du métier» getroffen hätten. Auch über die Sprache lässt sich Gouffé in den höchsten Tönen aus – räumt jedoch ein, dass die Autoren in «ganz verschiedene Stil-Schubladen greifen.» Interessant ist ein Passus, in dem er von einem möglichen Vorgänger des «Dictionnaire  spricht, den eine Studentin seines Instituts in den Archives Nationales gefunden haben will und der Gegenstand ihrer Doktorarbeit ist. Leider erfährt der Leser darüber nicht mehr. 

Dass dieses kapitale Nachschlagewerk nun wieder allgemein zugänglich ist, kann man zweifellos als einen bedeutenden Gewinn für den kulinarischen Kosmos von Lemusa bezeichnen. Schade nur, hat man die Neuauflage nicht zum Anlass genommen, den Text mit ein paar kritischen Anmerkungen zu versehen. So bleibt manch ein Irrtum ohne Korrektur, manch überholte Ansicht ohne Kommentar. Einzelne Passagen sind aus unserer heutigen Perspektive heraus schwer verständlich – ja es gibt sogar einzelne Ausdrücke, die gänzlich kryptisch bleiben. 

Ganz besonders bedauerlich ist dieser Verzicht in einem Kapitel, das sich den Duft- und Aroma-Worten der Kloi widmet. Das Kloische ist die weltweit einzige Sprache, die spezifische Adjektive für Parfums kennt – derweilen die Dinge auf dem Rest der Welt immer nur mit Vergleichen als grasig, nach Heu riechend, strohartige beschrieben werden. Das entsprechende Kapitel im Dictionnaire dürfte einen der frühesten Versuche darstellen, für diese Adjektive passende Beschreibungen in Französisch zu finden. Dass die Universität von Lemusa, die im Vorwort immerhin als Mitinitiantin der Neuauflage genannt wird, hier nicht forschend tätig geworden ist, lässt sich kaum nachvollziehen.

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